Benachteiligungen von Alleinerzieherinnen am Wohnungsmarkt
Die immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Lohnniveau und Wohnungsmietniveau ist für Frauen aufgrund ihres durchschnittlich geringeren Einkommens wesentlich problematischer als für Männer. Besonders betroffen sind 257.000 österreichische Alleinerzieherinnen, davon in Wien über 82.000, mit einem Nettoeinkommen von durchschnittlich 1.680€ im Monat.
Welche Herausforderungen und besondere Bedürfnisse haben Alleinerzieherinnen hinsichtlich des Zugangs zum Wohnungsmarkt und der Leistbarkeit von Wohnen? Welche haben sie hinsichtlich der Raumstrukturen und -qualitäten von Wohnungen, Wohngebäuden und Wohnumfeld? Welche Umsetzungen gibt es aktuell in geförderten Wiener Wohnprojekten?
Recherche und Umfrage zu Wohnbedürfnissen von Alleinerzieherinnen und Analyse von ausgewählten Wohnprojekten
Als Grundlagenrecherche dienten aktuelle Studien wie „Working Women Wohnen“ von Gabu Heindl sowie „Wohnsituation und -bedürfnisse von Alleinerziehenden in Wien“ von JUNO – Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende. Zusätzlich erfolgte im Frühjahr 2020 eine eigens erstellte online-Umfrage unter 15 Alleinerzieherinnen zwischen 23 und 59 Jahren mit ein bis 4 Kindern zwischen 2 und 20 Jahren. Insgesamt wurde damit ein Einblick in die Wohnsituation und Wohnbedürfnisse von Alleinerzieherinnen geschaffen.
Anhand zusammengefasster Kriterien werden folgende aktuelle Wohnprojekte des geförderten Wiener Wohnbaus analysiert, die im Rahmen des Wiener Wohnmodells Alleinerziehend bereits auf Wohnbedürfnisse von Alleinerzieherinnen eingehen: das Wohnquartier „An der Schanze“, das Stadtentwicklungsgebiet Wolfganggasse / Eichenstraße sowie die Wohnprojekte kolok-as, wohn.syn.21 und Ich Du Wir Plus.
Schwierigkeiten in Zugang und Leistbarkeit von Wohnen und Erleichterung durch neuen, begründeten Wohnbedarf als Alleinerzieherin
Vielfach sind Wohnungen mit ausreichender Zimmeranzahl mit dem verfügbaren Haushaltseinkommen von Alleinerzieherinnen nicht leistbar. Kautionen oder Anschaffungskosten von beispielsweise einer Küche sind zusätzlich erschwerend. Insgesamt, vor allem aber am privaten Wohnungsmarkt sind Alleinerzieherinnen mit folgenden Schwierigkeiten konfrontiert:
„Die Kosten sind vergleichbar mit einer Familie mit zwei Verdienern, jedoch ist alles alleine zu stemmen. Bei Teilzeitarbeit absolut nicht leistbar.“
„Die Wohnung ist für mich und meine zwei Kinder sehr klein und die Miete ist zu hoch.“
„Die Leistbarkeit! Wir leben in einer 2-Zimmer Wohnung und teilen uns ein Schlafzimmer. Eigentlich hätte ich gerne ein eigenes Zimmer für meine Tochter, aber das Angebot dafür ist sehr begrenzt und das meiste war für uns nicht leistbar.“
„Meine Wohnung ist sehr klein, nur 26 m² groß. Die Miete ist sehr hoch. Es ist nicht einfach in Wien für Alleinerziehende eine gute geförderte Wohnung zu bekommen.“
Im sozialen Wohnbau sind Wartezeiten für Alleinerzieherinnen mit dringendem Wohnbedarf oft zu lange. Zusätzlich ist der im geförderten Wohnbau zu zahlende Baukostenbeitrag für viele Alleinerzieherinnen eine Zugangshürde:
„Ich war für eine Smart Wohnungen auf der Webseite des Wiener Wohnen vorgemerkt und habe die Wohnungen trotzdem nicht bekommen.“
„Eine Wohnform, bei der meine Tochter und ich je ein eigenes Zimmer gehabt hätten, habe ich nicht gefunden oder war zu teuer. Der Baukostenbeitrag war nur mit Unterstützung der Familie zu finanzieren.“
Erleichternd ist, dass „Alleinerziehend“ seit Juli 2020 ein Kriterium für „begründeten Wohnbedarf“ im sozialen Wiener Wohnbau ist. Damit ist der Zugang zu Gemeindewohnungen, zu günstigen SMART-Wohnungen mit kompakten Grundrissen und Wohnungen mit Superförderung oder niedrigem Eigenmittelanteil möglich. Bei einem Anteil geförderter Wohnbauprojekte vermittelt JUNO – Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende zwischen Alleinerzieherinnen und gemeinnützigen Wohnbauträgern bei der Wohnungsfindung und der individuellen Konzeption.
Bedürfnisse von Alleinerzieherinnen an das Wohnumfeld und baulich-räumliche Umsetzung in geförderten Wohnquartieren und -projekten
Für Alleinerzieherinnen ist eine gute öffentlich Verkehrsanbindung und Sicherheit im Wohnumfeld essentiell. Fußläufige Nahversorgung, Kindergärten und Schulen, medizinische Einrichtungen und Restaurants sind wichtig, ebenso Freiflächen wie Kinderspielplätze, Jugendparks und grüne Erholungsflächen. Alleinerzieherinnen wünschen sich in ihrem Wohnumfeld:
„Eine sichere Möglichkeit mit dem Rad zur Wohnanlage zu gelangen“, „Kindergarten, Schule, Einkaufsmöglichkeiten, Grünanlagen, gute öffentliche Anbindung“, „Freiraum“, „Ein nettes Lokal wäre schön“
Viele der analysierten Wohnquartiere und –projekte weisen ein geeignetes Wohnumfeld mit öffentlicher Verkehrsanbindung, bestehender Infrastruktur, Naherholung und Kinderspielplätzen auf. Die Sicherheit ist in einigen Fällen weniger gegeben, wo Wohnprojekte an eine stark befahrene Straße oder einen Bahnhof grenzen.
Bedürfnisse von Alleinerzieherinnen an Wohngebäude und baulich-räumliche Umsetzung in geförderten Wohnquartieren und -projekten
Alleinerzieherinnen äußern einen großen Bedarf an gebäude- und freiraumbezogenen, gemeinsam nutzbaren Bereichen im Wohngebäude für Kommunikation und Alltagsunterstützung. Sie wünschen sich:
„Gemeinschaftsküche und Essplatz“, „Spielraum“, „Kinderwagen/Fahrradabstellraum“, „Gästewohnung“, „Garten, Terrasse“, „Gemeinschaftsgarten“ , „Spielplatz“
Gemeinschaftsräume unterstützen Kennenlernen und Gemeinschaftsleben. Gut gelegene Fahrrad- und Kinderwagenabstellräume sind alltagserleichternd. Waschküchen mit Sichtbezug auf einen Kinderspielraum unterstützen Vereinbarkeit von Haus- und Familienarbeit. Anmietbare Arbeitsräume ermöglichen home-office außerhalb der Wohnung. Zusätzlich anmietbare Kleinwohnungen ermöglichen Familienbesuch und –unterstützung oder Tages-Kinderbetreuung. Gemeinschaftliche Freiflächen ermöglichen Garteln und Grillen. Wichtig sind bauplatzbezogene Kinderspielplätze.
Die Stadt Wien bietet mit dem Wohnmodell Alleinerziehende in vielen geförderten Wiener Wohnprojekten neuer Quartiersentwicklungen innovative Einrichtungen zur Alltagsunterstützung. Die untersuchten Wohnprojekte haben teilweise Einkaufsmöglichkeiten und Kindergarten im Haus, sowie Babysitting-Service. Teilweise gibt es viele Gemeinschaftsräume, auch für Kinder und für Sport. Kinderwagen- und Fahrradabstellräume und Waschküchen erleichtern den Alltag. Viele der Projekte haben Gärten oder begrünte Dachterrassen.
Bedürfnisse von Alleinerzieherinnen an Wohnungen und baulich-räumliche Umsetzung in geförderten Wohnquartieren und -projekten
Alleinerzieherinnen wünschen sich eigenständiges Wohnen in kompakten und damit leistbaren, aber flexiblen Wohnungen.
„Keine Wohngemeinschaft, in der ich Küche und Wohnzimmer mit einer anderen alleinerziehenden Familie teile“, „Eine gute Raumaufteilung. Ich habe ein riesiges Bad, einen riesigen Vorraum aber kein Kinderzimmer“, „Kein Durchgangs Zimmer“, „Veränderbare Raumteilungen“, „Balkon“, „Freifläche“
Ideal wäre eine Raumtrennwand, mittels der ein temporäres, zusätzliches Zimmer für ein Kind oder für Bürotätigkeiten abteilbar ist. Durchgangszimmer sind nicht erwünscht. Küchen sollten, wenn möglich vom Wohnzimmer getrennt oder abtrennbar sein. Damit kann das Wohnzimmer als temporäres Schlafzimmer dienen, was in einer Wohnküche weniger ideal ist. Private Außenflächen sollten auf alle Fälle vorhanden sein. Ein Badezimmer mit Dusche wird als platzsparend erachtet. Badezimmer und WC sollten getrennt sein.
Mit dem Wiener Wohnmodell Alleinerziehende werden innovative und erschwingliche Wohnungen geschaffen und eine soziale Durchmischung im Sinne von Generationenwohnen angestrebt. Die meisten Wohnprojekte erfüllen viele der Anforderungen von Alleinerzieherinnen an Wohnungen. Die Wohnungen sind jedoch sehr unterschiedlich gestaltet.
Die Flexibilität der Grundrisse ist in einigen Fällen gegeben, so wie auch die Privatsphäre. Einige Wohngrundrisse ermöglichen die Schaffung eines zusätzlichen Raumes, wenn dieser benötigt werden sollte. Einige Grundrisse bieten kein eigenes Schlafzimmer für den Elternteil oder mehrere Kinder. Die Küche ist in fast allen Fällen nicht vom Wohnraum abgetrennt oder abtrennbar, das System der Schlafsofas in der Wohnküche wird als nicht optimal eingestuft. Es gibt in den meisten Fällen einen Balkon, einen Abstellraum und getrenntes Badezimmer und WC. Insgesamt sollte besonders auf eine gute Raumeinteilung und auf ausreichend Zimmer geachtet werden.
Ergebnis
Gerade für Alleinerzieherinnen ist der erleichterte Zugang zu leistbarem, qualitativem Wohnen von besonderer Bedeutung. Durch das Wohnmodell Alleinerziehende wird bereits die Zugänglichkeit und Leistbarkeit von Wohnen deutlich verbessert. Viele der neuen Wohnprojekte entsprechen vielfach den Bedürfnissen von Alleinerzieherinnen. Eine weiter vertiefende Ermittlung von Alltags- und Wohnbedürfnissen von Alleinerzieherinnen kann zu noch mehr Verbesserungen führen.