Weibliche Zielgruppen

Frauen in der häuslichen Pflege. Alltagserleichterung durch baulich-räumliche Aspekte

Thomas Petschka-Mistelbauer
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Häusliche Pflege ist weiblich

In Österreich sind rund eine Million Personen pflegebedürftig, davon sind 63% Frauen. Dabei sind alle sieben Pflegestufen inkludiert. 80% der zu pflegenden Personen werden von vorwiegend weiblichen Angehörigen zu Hause gepflegt.

Pflegegeld-Bezieher*innen

63 % Frauen
37 % Männer

Pflegepersonen

73 % Frauen
27 % Männer

Quelle: Angehörigenpflege in Österreich Einsicht in die Situation pflegender Angehöriger und in die Entwicklung informeller Pflegenetzwerke. Endbericht Juni 2018

Verschiedene Studien belegen eine wesentlich bessere physische und psychische Verfassung von Personen, die in den eigenen vier Wänden gepflegt werden und öfter besucht werden. Die meist kostenfreie Pflegeleistung wird durch pflegende Angehörige zusätzlich zu eigener Berufstätigkeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung verrichtet. Dabei sind die körperliche Belastung der Pflegepersonen ein ebenso großes Thema wie die erforderlichen Alltagswege. Durch die Mehrfachbelastung und zeitliche Einschränkung benötigen pflegende Frauen ein räumliches Umfeld, das die Pflegearbeit bestmöglich unterstützt.

Häusliche Pflege und baulich-räumliche Anforderungen

Räumliche Bedürfnisse von zu pflegenden Personen wie auch Pflegekräften sind bedeutsam. Es müssen pflegerelevante Versorgungen Platz finden und ergonomisches Arbeiten ermöglicht werden. Wohnbauten sollen sich daher funktional gut für die Pflege eignen.

Anhand der verschieden Beeinträchtigungen werden die baulich-räumlichen Anforderungen im Wohnbau dargestellt, um eine qualitative häusliche Pflege unter der Berücksichtigung aller Bedürfnisse von zu pflegenden Personen und Pflegekräften zu ermöglichen.

Verschiedene Beeinträchtigungen und baulich-räumliche Anforderungen

Untersuchung der Eignung von Wohnbauten für häusliche Pflege

Beispielhafte Wiener Wohnprojekte aus der Gründerzeit, dem kommunalen Wohnbau und dem öffentlich geförderten Wohnbau werden in ihrer räumlichen Ausprägung von Wohnumfeld, Wohngebäude und Wohnungen für die Eignung von Pflege analysiert und daraus Empfehlungen zur pflege-unterstützenden Gestaltung formuliert.

Dem zugrunde liegt eine ganzheitliche Betrachtung von Städte- und Wohnbau, in der ab den 1990er Jahren alltags- und frauengerechte Planungskriterien formuliert und im Wohnbau gefordert wurden. Komplexe Alltagsmuster und -wege von Frauen im Zuge von Berufstätigkeit und Haus- und Familienbetreuung sollen eine baulich-räumliche Entsprechung in Wohnumfeld, Wohngebäude und Wohnungen finden.

Ideale baulich-räumliche Ausbildung von Wohnungen

Ideale baulich-räumliche Ausbildung der Wohnung für verschiedene Beeinträchtigungen. Darstellung: Thomas Petschka-Mistelbauer

Flexible und adaptierbare Grundrisse für individuelle Pflegebedürfnisse und die Erleichterung von Alltagsabläufen sind von Vorteil. Geräumige Vorräume erleichtern das selbständige Betreten, Erschließen und Verlassen der Wohnung mit Gehhilfen oder mit Unterstützung durch die Pflegeperson. In mehrgeschossigen Wohneinheiten sollte ein Treppenlift einbaubar sein. Ausreichende Abstellmöglichkeiten erleichtern die Organisation von pflegespezifischen Gegenständen.

In Mehrzimmerwohnungen mit einem zusätzlichen Individualraum kann die Pflegeperson übernachten und sich einen Arbeitsplatz einrichten, auch 24 Stunden Betreuung ist möglich. Einzimmerwohnungen erschweren den notwendigen längeren Aufenthalt einer Pflegeperson. Das Schlafzimmer der zu pflegenden Person sollte ausreichend groß sein für ein von zwei Seiten zugängliches Bett oder Pflegebett. Für bettlägerige Personen sind kompakte Wohnungen oder mehrgeschossige Wohneinheiten meist nicht geeignet.

Die Küche soll auch mit Rollator und Rollstuhl gut zugänglich und benutzbar sein. Unterfahrbare Regale ermöglichen Rollstuhlfahrer*innen das selbständige Kochen. Zu kleine Bäder und WCs erschweren oder verunmöglichen die selbständige Benutzung mit Gehhilfen bzw. die Hilfestellung bei der Hygiene durch die Pflegeperson. Sie sollten vergrößert oder zusammengelegt werden. Personen mit eingeschränkter Sehkraft können durch ein intelligentes automatisches Lichtsystem und Lichtschalter mit Bedienwippe unterstützt werden.

Ideale baulich-räumliche Ausbildung von Wohngebäuden

Ideale baulich-räumliche Ausbildung des Wohngebäudes für verschiedene Beeinträchtigungen. Darstellung: Thomas Petschka-Mistelbauer

Eingangs-und Erschließungsbereiche, die zu eng oder nicht barrierefrei sind, sind problematisch für Personen, die auf Gehilfen angewiesen sind und ihre Pflegepersonen. Anzustreben sind barrierefreie Eingangsbereiche mit klarer Orientierung, ausreichend Bewegungsradius und Platz zum Verweilen.

Eine Liftanlage, die jedes Geschoss direkt erschließt, ist für eine häusliche Pflege von immenser Bedeutung. Sie ermöglicht pflegebedürftigen aber mit Gehilfen mobilen Personen das eigenständige Erreichen von Wohnung und Freibereich und somit kleiner Alltagsbesorgungen. Damit ist die Pflegeperson körperlich und zeitlich entlastet. Ein Treppenlift ist eine Alternative zu einem fehlenden Lift. Für den Transport eines Pflegebettes sind Lifte oft zu klein und auch enge Stiegenhäuser oft nicht geeignet.

Personen mit eingeschränkter Sehkraft erleichtert eine bessere Beleuchtung und intelligente Lichtführung den Alltag. Taktile Bodenmarkierungen sowie taktile Leitsysteme am Handlauf sind unterstützend. Liftanlagen sollen mit Blindenmarkierungen ausgestattet sein.

Gemeinschaftsräume sowie Freiräume dienen der Steigerung der sozialen Kontakte. Dies motiviert pflegebedürftige Personen sich eigenständiger zu bewegen und zu leben und fördert ihr Selbstbewusstsein.

Ideale baulich-räumliche Ausbildung des Wohnumfeldes

LebensmittelApothekeArzt
Selbstversorgung
durch
Grundnahrungs-
mittel
Beschaffung
notwendiger
Medikamente
Ansprech-
partner*i
n
BankSozialesSoziales
Gefühl der
finanziellen
Sicherheit
Förderung der
Eigenständigkeit,
Kommunikation,
Gemeinschaft,
Demenzzentren
Gesundheit,
Erholung, Freizeit
Ideale baulich-räumliche Ausbildung des Wohnumfeldes für verschiedene Beeinträchtigungen. Darstellung: Thomas Petschka-Mistelbauer

Im Wohnumfeld erleichtern kurze Wege zu Infrastruktur, Versorgungseinrichtungen und Erholungsbereichen die häusliche Pflege im Alltag. Dies gilt sowohl für mobile pflegebedürftige Personen als auch für versorgende Pflegende und deren eigene Bedürfnisdeckung.

Essentiell sind eine gute öffentliche Verkehrsanbindung und die Abdeckung sämtlicher „Grundbedürfnisse“ auf kurzen fußläufigen, barrierefreien Wegen zu den Einrichtungen des täglichen Bedarfs (Lebensmittelgeschäft, Apotheke, Drogerie, Bank, Trafik) wie auch Bedarfe nach Büchern, Papier, Elektro, Optik, Blumen, Bekleidung in der näheren Umgebung. Ebenso sollen medizinische Einrichtungen (Arzt, physikalisches Institut, Fußpflege) und soziale Einrichtungen (Lokale, Senioreneinrichtungen) leicht erreichbar sein.

Bestmögliche Unterstützung der häuslichen Pflege durch Architektur

Generell ist die häusliche Pflege von Personen mit geringer Pflegestufe leicht realisierbar und als ambulante häusliche Pflege durchführbar. Je eher die baulich-räumliche Ausbildung von Wohnung, Wohngebäuden und Wohnumfeld die mobile Selbständigkeit der zu pflegenden Person fördert, desto geringer ist die Belastung für die Pflegepersonen.

Um die häusliche Pflege für Pflegepersonen qualitativ verbessern zu können, sollten alle Bedürfnisse von Personen aller Pflegestufen im Kontext aller Maßstabsebenen von Wohnen betrachtet werden. Damit kann die häusliche Pflege von mehrheitlich zu pflegenden Frauen durch fast ausschließlich weibliche Pflegende bestmöglich unterstützt werden.

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